Kalenderblätter Teil 2

April 1897: Antijüdische Ausfälle gegen Heinrich Heine

Wieder etwas vom Heine-Denkmal.

Professor Herter hat dem Komitee für das Heine-Denkmal, das noch immer ruhelos wie Ahasver durch die Welt irrt, mitgeteilt, daß es fertiggestellt und zur Verschiffung verpackt ist. Er hat siebzigtausend Mark auf seine Arbeit bereits empfangen und auf den Rest von dreißigtausend erst Anspruch, wenn das Denkmal übernommen und enthüllt sein wird; sein Interesse an der Aufstellung des Denkmals ist also erklärlich. Allein was nützt das alles; es findet sich selbst in New-York trotz aller Bemühungen kein Platz, wo es zur Ruhe und zur Aufstellung kommen könnte. - Sollte sich nicht in Paris oder in einem galizischen Ghetto ein Plätzchen finden?

Schaumburger Zeitung v. 10.04.1897

Kommentar:

Der Hintergrund dieses gehässigen Artikels - typisch für den Antisemitismus der Schaumburger Zeitung der Kaiserzeit - wird erklärt auf einer Webseite des Bayerischen Rundfunks:

 […] hatte sich in Heines Heimatstadt Düsseldorf ein "Comité für die Errichtung eines Heine-Denkmals" gegründet. Pünktlich zum 100. Geburtstag des Dichters im Jahr 1897 sollte das Denkmal in Düsseldorf aufgestellt werden. Der Aufruf des Comités bezog sich allerdings weniger auf den politischen Heine, als viel mehr auf den "unsterblichen Liederdichter". So konnte auch die österreichisch-ungarische Kaiserin und Heine-Verehrerin Elisabeth das Projekt unterstützen; Sisi wollte das Denkmal anfangs sogar mit 50.000 Mark fördern.

Aber es half alles nichts. Heine polarisierte, wie schon zu Lebzeiten. Jahrelang diskutierte man deswegen im Deutschen Reich, nicht nur die Gestaltung des Monuments, sondern vor allem die Frage, ob der Jude Heinrich-Heine überhaupt ein Denkmal verdiene. Am Ende verhinderte die bösartige antisemitische und nationalistische Propaganda, dass zu Heines 100. Geburtstag irgendein Denkmal irgendwo im Land eingeweiht werden konnte. Allerdings interessierte sich ein deutscher Gesangsverein namens Arion in New York für die Sache. Der Berliner Bildhauer Ernst Herter erhielt also von Auslandsdeutschen in Amerika den Auftrag und schuf einen Loreley-Brunnen aus weißem Tiroler Marmor. Dieser "Loreley Fountain" wurde dann - nach einigem hin und her - am 8. Juli 1899 im New Yorker Stadtbezirk Bronx enthüllt.

Quelle: http://www.br.de/radio/bayern2/wissen/kalenderblatt/0807-denkmal100.html

Mai 1977: Nazi-Chefredakteur wird Ehrenvorsitzender der Kyffhäuserkameradschaft Rinteln

Geburtstag der Kriegervereins-Fahne ein Bekenntnis zur Arbeit am Frieden

 […] die Versöhnung mit ehemaligen Feinden, die Kameradschaft und die Pflege des Brauchtums standen im Mittelpunkt des 100. Geburtstages der alten Fahne des Rintelner Kriegervereins. […]

Die Vorsitzenden der Landesverbände waren ebenso anwesend wie Vertreter der Nato und der Bundeswehr. […]

Eine besondere Ehre wurde Reinhold Börner zuteil. Er wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. […]

Reinhold Börner […] erhielten das Verdienstkreuz II. Klasse in Silber. […]

[Text u. Foto: SZ v. 16.05.1977]

Kommentar:

Reinhold Börner war während der gesamten NS-Zeit Verantwortlicher Schriftleiter bzw. „Hauptschriftleiter“ der Schaumburger Zeitung in Rinteln, die ab Mai 1933 den Untertitel „Tageszeitung für Nationalsozialistisches Wollen“ und ab August 1933 „Nationalsozialistische Tageszeitung“ trug.

Als nationalsozialistischer Chefredakteur hat Börner quasi täglich die demokratiefeindliche, menschenverachtende, antisemitische und kriegshetzerische Propaganda der NSDAP unters Volk gebracht und als aktiver Handlanger des Regimes dafür gearbeitet, die Bevölkerung zu verdummen und zu verhetzen. Einer „ehrenhaften“ Stellung in der Nachkriegsgesellschaft tat das keinen Abbruch, wie bei vielen Seinesgleichen.

Hauptschriftleiter und Verantwortlicher für Politik ... Kopf und Impressum der SZ

Börner vermittelt die NS-Weltanschauung (01.08.1933, Seite 2)

Nur zwei von unzähligen Artikeln, die auf Seite 2 der Schaumburger Zeitung erschienen und Börner zuzurechnen sind:

(01.02.1934)

(15.11.1938)

Börner als Mitglied der Kreisleitung der NSDAP:

(02.04.1937)

Juni 1897: Kein Schaufensterbummel während des Gottesdienstes!

Briefkasten.

Nach Oldendorf!  Während des Sonntags-Gottesdienstes müssen alle Schaufenster etc. verhängt sein. Für Beachtung dieser Vorschrift hat die Polizeibehörde jedes einzelnen Ortes zu sorgen.

Die Redaction

Schaumburger Zeitung v. 17.06.1897

Kommentar:

Im „Briefkasten“ reagierte die Redaktion auf eingesendete Leserbriefe. Hier macht sie sich die Eingabe eines strengen Zeitgenossen aus Hessisch Oldendorf zu eigen, der Verstöße gegen die Sonntagsruhe beklagt. Es bestand also auch hier eine Regelung wie die Berliner

Polizei-Verordnung betr. die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage. Vom 27. März und 17. Mai 1910.

§ 6. […] Schaufenster und Schaukästen sind während der Stunden des Hauptgottesdienstes zu verhängen.

Heutzutage wird die Forderung immer lauter, noch mehr verkaufsoffenen Sonntage zu erlauben. Also pendelt der Zeitgeist auch bei diesem Thema von einem Extrem zum anderen.

Juli 1897: Endlich duschen und baden!

Hess. Oldendorf. Herr W. Grending hat hinter seinem Wohnhause in der Langenstraße eine Badeanstalt errichtet und damit einem fühlbaren Bedürfnis Abhilfe geschaffen. In derselben werden Dienstags und Freitags die verschiedensten Bäder zu mäßigen Preisen verabfolgt. Sehr empfehlenswert sind besonders auch für die Schuljugend die Spritzbäder, welche für 10 Pfg. täglich zu haben sind. (Vergl. Inserat.)

Schaumburger Zeitung v. 13.07.1897

Wilhelm Grending war Friseur, also Betreiber eines Gewerbes, das aus den "Badern" und "Barbieren" hervor gegangen war. Sein Bruder Carl Christian Ludwig Grending war 1884 als "Barbier" nach Amerika ausgewandert. 

Die Badestube hinter dem Haus Nr. 85 (heute 22) in der Langen Straße war in einer Zeit, in der selbst manche Schlösser keine Badezimmer hatten, sicher ein hygienischer Fortschritt. Da es allerdings in Hessisch Oldendorf weder eine Wasserleitung (siehe Kalenderblatt August 1897) noch elektrischen Strom gab, ist es eine interssante Frage, wie Grendig die "Spritzbäder" realisierte. Zur Anregung der Fantasie hier eine Zeitschriftenwerbung von 1895:

(Fliegende Blätter, München, 1895)

Der Friseursalon im Vorderhaus ging später auf Sohn Karl und dann auf dessen Sohn Karl über. Er wird heute (2017) unter Frau Karin Prehm weiter geführt. Somit dürfte der "Salon Greding" das einzige Ladengeschäft in Hessisch Oldendorf sein, das seit mindestens 120 Jahren im selben Hause existiert!

Quellen:

- Heinrich Rieckenberg, Schaumburger Auswanderer 1820 - 1914. Rinteln 1988, S. 342

- Einwohnerbuch für Rinteln  an der Weser, Obernkirchen, Hess. Oldendorf (etc.). Rinteln 1927 

August 1897: Wasserleitung beschlossen

Hess. Oldendorf, 15. Aug. 

In der gestern Abend stattgehabten Sitzung der Stadtvertretung wurde ein für das Gedeihen und die Weiterentwicklung unserer Stadt hochbedeutsamer Beschluß gefaßt, der sicher freudige und allgemeine Zustimmung der gesammten Einwohnerschaft Oldendorfs findet. Es wurde nämlich einstimmig beschlossen, mit dem Bau einer Wasserleitung unverzüglich zu beginnen - vorausgesetzt, daß die nöthigen Vorbedingungen sich erfüllen lassen. Gleichzeitig wurde eine Commission mit den nöthigen Vorarbeiten betraut. 

 

Schaumburger Zeitung v. 17.08.1897

Kommentar:

Zu dieser Zeit bestand nachweislich eine öffentliche Pumpe auf dem Marktplatz und dem Hörensagen nach weitere öffentliche Pumpen im Stadtgebiet verteilt.